Gehaltsorientiert kalkulieren

Was bekommt ein Angestellter in meinem Job und was will ich als Freelancer verdienen? Das ist meist die Ausgangsfrage, wenn es um die Kalkulation des Freelancer-Honorars geht. Klar, ist ja durchaus naheliegend, auf das durchschnittliche (oder bei einer Existenzgründung auf das eigene) Jahresgehalt zurückzugreifen und dieses auf einen Stundensatz umzulegen. Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten (je nachdem, wie exakt die Kalkulation werden soll).

Für die folgenden Modellrechnungen lässt sich beispielsweise die Selbstauskunft der Angestellten in der Medienwirtschaft bei monster.de heranziehen. Danach lagen die Gehälter – je nach Funktion – zwischen 40.000 (Angestellte ohne Leitungsfunktion) und etwa 65.000 Euro (Abteilungsleiter) pro Jahr. Im Durchschnitt ergibt das also ungefähr 52.500 Euro.

Schnell „pi-mal-Daumen“ kalkuliert

Eine sehr schnelle, „pi-mal-Daumen“-Kalkulation sieht ungefähr so aus: 52.500 Euro geteilt durch 46 Wochen, geteilt durch 40 Wochenstunden ergibt ca. 28,50 Euro. Ausgehend von einer groben Faustregel, die besagt, ein Drittel Gehalt, ein Drittel Kosten (für Sozialversicherungsabgaben, Steuern etc.) und ein Drittel für die Zeiten, die für Verwaltung, Akquise und andere unproduktive Tätigkeiten benötigt werden, nimmt man nun einfach 28,50 mal 2 (das ist die Grenze zum Existenzminimum) oder mal 3 (das ist ein wenig mehr als zum nackten Überleben gebraucht wird). Auf diese Weise kommt man auf einen Stundensatz von 57 Euro bzw auf einen Satz von etwa 85 Euro, um auch die Leerzeiten halbwegs zu berücksichtigen.

In einem Job mit einem Jahresgehalt von 60.000 Euro ist die Rechnung dann entsprechend 60.000 geteilt durch 46 Wochen, geteilt durch 40 Wochenstunden ergibt ca. 32,50 Euro. Mit Faktor 2 ergibt das 65 Euro, mit Faktor 3 sind es ganz schnell an die 100 Euro, die nötig wären, um unproduktive Stunden gut abzudecken und den gewohnten Lebensstandard halten zu können.

Etwas differenzierter betrachtet

Wer seine Honorarkalkulation etwas genauer machen möchte, sollte den Taschenrechner zu Hand nehmen und alles etwas gründlicher durchrechnen. Denn von den 52 Wochen einfach nur 6 Wochen für den Urlaub abzuziehen, ist doch reichlich kurz gedacht.

Die Situation stellt sich vielmehr so dar: Von den 365 Tagen im Jahr gehen zunächst 104 Tage für Wochenenden und 10 Feiertage im Jahr ab. Durchschnittlich, natürlich. Verbleiben also 251 Tage, von denen dann 30 Urlaubstage plus durchschnittliche 10 Krankheitstage abzuziehen sind. Dann sind es nur noch 211 Tage. Wer ein gestresstes Immunsystem oder andere gesundheitliche Probleme hat, müsste bei seiner Kalkulation sicherheitshalber noch ein paar Tage mehr abziehen. Und wer dann noch etwas für seine Weiterbildung tun und ein paar Seminartage aufwenden will, wird schnell feststellen, dass schließlich nur noch um die 200 bis 205 Arbeitstage pro Jahr bleiben.

Hinzu kommt ein ganz wesentlicher Punkt: Einen 8-Stunden-Tag oder eine 40-Stunden-Woche kann man nur ganz selten voll abrechnen. Ein großer Teil der Arbeitszeit geht verloren für das eigene Marketing und die Kundenakquise sowie für administrative Aufgaben wie Angebote oder Rechnungen schreiben, die Buchhaltung und/oder das Belegesammeln für den Steuerberater. Die Schätzungen für das Verhältnis der produktiven zur unproduktiven Arbeitszeit liegen bei ca. 50 bis 70 Prozent. Alles, was darüber liegt, hat Seltenheitswert. Das heißt: statt 1.640 Stunden Jahresarbeitszeit (bei 205 Tagen x 8 Stunden) sollte man realistischerweise nur von durchschnittlich 60 Prozent oder 980 Stunden Jahresarbeitszeit ausgehen – und zwar 980 Stunden abrechenbare Jahresarbeitszeit, nicht die tatsächlich geleistete!

In dieser Rechnung sind außerdem die genauen Kosten noch gar nicht berücksichtigt. Dem Angestellten am Arbeitsplatz werden sämtliche Arbeitsmittel gestellt, vom gewöhnlichen Bleistift bis hin zur Ausstattung mit Telefon und PC oder Notebook mitsamt Software, Drucker etc. und auch für Fahrzeuge, Versicherungen oder die Buchhaltung kommt das Unternehmen auf. Je nach Berufszweig (die IT-Ausstattung der Lektoren, Übersetzer, Journalisten und PR- und Werbetexter muss sicherlich nicht so üppig sein wie das Equipment von Grafikern oder Fotografen) dürften für die Kosten nochmal 10 bis 20 Prozent des Jahresgehalts fällig werden.

Ausgehend von dem durchschnittlichen Jahresgehalt bedeutet das: statt der 52.500 Euro vom reinen Gehalt müssen eher 60.000 Euro auf die Stunden aufgeteilt werden – geteilt durch 980 Stunden bei 60 Prozent produktiven Stunden macht das rund 60 Euro aus. Bei einer Produktivzeit von 50 oder 70 Prozent erhöht bzw. verringert sich dieser Stundensatz natürlich entsprechend. Ebenso bei unter- bzw. überdurchschnittlich niedrigen oder hohen Kosten. Aber dennoch: dieser Stundensatz ist durchschnittlich zu kalkulieren, um eine durchschnittliche wirtschaftlich tragfähige Freelancer-Existenz bestreiten zu können. Stundensätze, die weit darunter liegen, sind nur mit 90 oder 100 Prozent Auslastung und ganz geringen Kosten zu erklären. Alles andere ist auf Dauer ruinös!

Ob „pi mal Daumen“ oder etwas genauer gerechnet: der Mindest-Stundensatz liegt etwa bei 55 Euro. In dieser Kalkulation ist das Risiko für den Unternehmer übrigens noch gar nicht berücksichtigt. Rücklagen für Notzeiten oder später zu bilden, dürfte bei einem Stundensatz darunter bedeuten, den Gürtel sehr eng zu tragen und im Zweifelsfall ganz ohne Urlaub durchs Jahr zu kommen. Wer länger krank wird, für den wird’s dann schnell knapp.

PS: Wer nicht genau weiß, wie viel ein Art Director, PR-Manager, Designer oder Texter im Angestelltenverhältnis verdient, findet in einem Blog-Beitrag zu Gehältern im Jahr 2016 weitere Hinweise …
Hinweis: Nachdem die Website frisch aufgesetzt wurde, fehlt dieser Blogbeitrag noch …